Wien: Pädagogik der Achtsamkeit

Trainings-/ Kurskonzept Achtsamkeit in der Pädagogik

Titel

Pädagogik der Achtsamkeit.

Achtsamkeits- und mitgefühlsbasierte Ansätze der Pädagogik in Schule und LehrerInnenbildung

Autor/in oder Ansprech-partner/in

Dr. Karlheinz Valtl

Senior Lecturer der Universität Wien

Zentrum für LehrerInnenbildung (ZLB)

Porzellangasse 4

A – 1090 Wien

Tel: 0043 699 15003401

Zielgruppe/ Teilnehmer/-innen

  • Zielgruppe: Studierende am Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien (Grundgesamt: 12.000 Studierende für das Lehramt an Gymnasien/Sekundarstufe)

  • TeilnehmerInnen-Zahl pro Seminar: 25

  • bisher 5 Durchgänge

Zeitrahmen/ Anzahl Stunden und Turnus

  • Universitäres Seminar, formal 2 Semesterwochenstunden (= 3 ECTS)

  • real 8 Treffen á 3 h 15 min im Abstand von 1 bis 2 Wochen (d.h. Format angelehnt an klassisches MBSR-Format, zugleich identisch mit akademischem Format „14-tägliches 2-stündiges Seminar“)

  • plus 5 h Zwischengruppentreffen (Kleingruppentreffen off university, nicht begleitet)

  • plus 6 h öffentliches Symposium (Veranstaltung mit externen ExpertInnen und Publikum aus Hochschule und Gesellschaft)

Institution

Zentrum für LehrerInnenbildung der Universität Wien

Ausschreibungstext

„Das Seminar befasst sich mit den seit den 1970er Jahren in den USA, England und anderen Ländern entwickelten Ansätzen zum Training von Achtsamkeit und Mitgefühl sowie deren Bedeutung für die Schulpädagogik und Lehrerbildung. Achtsamkeit ist dabei zu verstehen als eine Haltung von bewusst gesteuerter und umfassender Aufmerksamkeit für den gegenwärtigen Augenblick (Präsenz) unter Vermeidung vorschneller Reaktionen und unbewusster Wertungen (Akzeptanz), verbunden mit Einfühlung in und Mitgefühl für andere.

Eine gängige Arbeitsdefinition lautet: „(Mindfulness is) the awareness that emerges through paying attention on purpose, in the present moment, and nonjudgmentally to the unfolding of experience moment by moment“ (KABAT-ZINN 2003, S.144). Den Ausgangspunkt des Seminars bilden ausgewählte Modelle und Trainingsprogramme zu Achtsamkeit und Mitgefühl (sowohl für Erwachsene wie für Kinder und Jugendliche) sowie die Wirkungsforschung zu diesen Programmen.

In diesen Evaluationsstudien hat sich gezeigt, dass Trainingsprogramme in Achtsamkeit bei Schüler_innen zu beachtlichen Verbesserungen des Wohlbefindens und der Schulleistungen führen, einen positiven Einfluss auf Persönlichkeitsentwicklung und unterrichtliche Interaktion haben und darüber hinaus die Gesundheit von Schüler_innen und Lehrer_innen fördern (z. B. in Bezug auf Stresserkrankungen, Depression, ADHS u.a.). Achtsamkeit und Mitgefühl erscheinen damit zunehmend als grundlegende Variablen für Lernerfolg, Persönlichkeitsentwicklung und Sozialklima in der Schule, und die dazu entworfenen Trainingsprogramme erlauben einen neuen Blick auf klassische schulpädagogische Problemstellungen wie Arbeitshaltung/Selbstmanagement („Disziplin“), Aufmerksamkeitssteuerung („Aufpassen“) und sozial-emotionales Lernen („Betragen“).

Neben der Diskussion der Trainingsprogramme und ihrer Evaluation geht es in dem Seminar entsprechend den Empfehlungen für die Lehrer_innenbildung von MEIKLEJOHN et al. (2012) auch um eine persönliche Begegnung mit ausgewählten Übungen aus den besprochenen Trainingsprogrammen. Die Praxis dieser Achtsamkeits-Übungen, die sowohl im Seminar wie auch in täglicher häuslicher Übung durchgeführt werden sollen, stellt einen verbindlichen und relativ zeitaufwändigen Teil des Seminarkonzeptes dar (mehr dazu siehe Methoden). Bitte melden Sie sich zu diesem Seminar nur an, wenn Sie bereit sind, diese Praxis der täglichen Übung für mindestens 8 Wochen (= Dauer des Seminars) aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus sollten Sie auch bereit sein, sich mit englischsprachiger Literatur zu befassen.“

Literatur

Bisheriger Literaturverweis:

„Sie erhalten in der LV eine ausführliche Literaturliste sowie fortlaufend Leseaufträge und pdf-Dateien auf Moodle. Wenn Sie sich schon jetzt auf die LV vorbereiten möchten, so empfehle ich Ihnen, eines der folgenden Bücher zu lesen:

  1. KABAT-ZINN, Jon (2015): Im Alltag Ruhe finden: Meditationen für ein gelassenes Leben, München: Knaur.
    Dieses Buch bringt Ihnen die klassische Konzeption der Achtsamkeit nach Jon Kabat-Zinn, dem Begründer der Mindfulness Based Stress Reduction (MBSR), auf eine sehr lebenspraktische Weise nahe. Es ist – trotz seines in der deutschen Übersetzung etwas trivialen Titels – eine Fundgrube an tiefen Einsichten und für 10,27 Euro im Handel erhältlich. Falls Sie gut Englisch können, so empfehle ich Ihnen eher das amerikanische Original: Wherever you go, there you are, New York/Boston: Hachette 2014.

  2. KALTWASSER, Vera (2008): Achtsamkeit in der Schule. Stille-Inseln im Unterricht: Entspannung und Konzentration, Weinheim/Basel: Beltz.
    Dieses Buch ist das bekannteste deutschsprachige Buch, das einen schulpädagogischen Ansatz der Achtsamkeit ausführlich beschreibt. Es ist einfühlsam und praxisnah, integriert aber noch nicht die umfangreichen Forschungsarbeiten der letzten Jahre. Wenn Sie gut Englisch können, dann finden Sie in folgendem Aufsatz, der eine Pflichtlektüre des Seminars sein wird, eine perfekte Ergänzung zu diesem Buch:

MEIKLEJOHN, John et al. (2012): Integrating Mindfulness Training into K-12 Education: Fostering the Resilience of Teachers and Students (kostenloser Download unter: https://forschungsnetzwerkachtsamkeit.files.wordpress.com/2018/01/d7569-integrating_mindfulness_training_into_k-12_education.pdf).

  1. SINGER, Tania / BOLZ, Matthias (Hrsg.) (2013): Mitgefühl. In Alltag und Forschung, München: Max Planck Gesellschaft (eBook, kostenloser Download unter: http://www.compassion-training.org/?lang=de)
    Dieses Buch stellt eine große Palette von Ansätzen zum Training und zur Erforschung von Achtsamkeit und Mitgefühl dar und präsentiert den state of the art dieser Forschungsrichtung in einer ansprechenden und begeisternden Art. Besonders die aktuellen neurowissenschaftlichen Forschungen zu Mitgefühl und prosozialem Handeln werden hier auf eine bahnbrechende Weise dargestellt.“

Ergänzend erhalten die Studierenden im Seminar eine laufend upgedatete kommentierte Literaturliste (Umfang 8 Seiten).

Links

https://univis.univie.ac.at/veranstaltungen/flow/veranstaltungen-flow?_flowId=veranstaltungen-flow&_flowExecutionKey=e1s2

Gelingens-faktoren

Folgende Gelingensfaktoren erscheinen mir wichtig (und es gelingt in der Regel, diese zu schaffen/entstehen zu lassen/zu erhalten):

  • Aufbau einer kontinuierlichen Achtsamkeits-Praxis der Studierenden (ein prioritäres Lernziel), unterstützt durch ermutigendes Feedback durch die Leitung

  • Viel Raum für Austausch von Erfahrungen und Ansichten sowie für gemeinschaftliche Inquiry in der Gruppe (das Gesprächsklima sollte ein Beispiel von achtsamer und mitfühlender Kommunikation und einer gemeinsamen Sinnsuche sein)

  • Gute Balance zwischen schulbezogenen und allgemein achtsamkeitsbezogenen Inhalten sowie zwischen meditativen, sinnlichen, bewegungsbezogenen und sozialen Achtsamkeitsübungen für die Schule (die im Seminar durchgeführt werden, sodass die Studierende persönliche Erfahrung damit machen können, sowohl in der Rolle von TeilnehmerInnen wie in der von Anleitenden)

  • Ausreichend Raum für Praxisberichte, für Wirkungsforschung zu Achtsamkeit und für Belege aus den Evaluationen der Schulprogramme

  • Raum für Kritik und für die Haltung von SkeptikerInnen sowie für kontroverse Diskussionen unter den Studierenden

  • Gute pädagogische Beziehung zwischen Leitung und Studierenden und eine Kommunikationsbasis, die in „common humanity“ gegründet ist (m.a.W.: Kontakt auf Augenhöhe)

  • Authentisches und glaubwürdiges Vorbild der Leitung in Bezug auf kontinuierliche Achtsamkeitspraxis und achtsamen Umgang mit den TeilnehmerInnen – „What you teach is what you are.“ (P. Palmer)

  • In einem weiteren Sinne bedeutet dies auch Anwendung einer „achtsamen Hochschuldidaktik“, die z. B. beinhaltet: Entschleunigung, Raum lassen für persönliche Erfahrung und Reflexion, contemplative teaching (im Sinne von Barbezat/Bush 2014).

  • Wichtig ist, dass die Studierenden erfahren können, dass das Seminar ein Beitrag zu ihrer persönlichen Selbstfürsorge und Resilienz ist, dass es sie nährt und nicht etwas von ihnen verlangt.

  • Das Wohlwollen von Studienprogrammleitung und Zentrumsleitung war wichtig für das Zustandekommen des Seminars.

Heraus-forderungen

  • Passender Seminarraum (ruhig, sauber, ansprechend – nicht immer selbstverständlich)

  • Terminierung als 14-tägliche Lehrveranstaltung (d.h. als 4-Stunden-Blöcke) – wegen Raumknappheit nicht einfach

  • Ausreichend großer Raum für Schlussveranstaltung/Symposium – schwer zu kriegen, ständige Querelen

  • Raumausstattung: Meditationskissen für alle TeilnehmerInnen wären wünschenswert, würden aber den gewohnten Stil der Universität zu sehr durchbrechen (außerdem wären da Probleme wie: Wo lagern? Wer zahlt sie?)

  • Offene Frage: Bleibt die kontinuierliche Achtsamkeits-Praxis der Studierenden über die Dauer des Seminars hinaus erhalten (dies wird wohl nur bei einzelnen Studierenden so sein, kann aber bei einem isolierten Seminarangebot nicht weiter betreut werden)

Bemerkungen

  • Großes Interesse der Studierenden, auch dank guter Nachrede

  • Eine Verzahnung mit einem für Studierende (und ggf. Lehrende) an der Universität angebotenen und gesponserten MBSR-Kurs o.ä. wäre wünschenswert.

  • Einzelne Studierende haben Interesse an einem zeitnahen weiterführenden Fortbildungsangebot – ein Interesse, das vor Ort leider nicht bedient werden kann und das dann bald erlischt.

  • Viele Studierende bringen bereits eigene Erfahrung bzw. kontinuierliche Praxis von Meditation, Yoga u.a. mit. Hier gilt es anzuknüpfen und Konkurrenzen zu vermeiden. Spannend ist auch die Integration von Studierenden mit kontinuierlicher religiöser Praxis (Islam, Christentum).

  • In der Kürze der Zeit kann nie alles, was wichtig wäre, thematisiert werden. Umso wichtiger ist es daher, dass das Seminar insgesamt einen Geist der Achtsamkeit atmet. Es bleibt ein Same, der in der persönlichen Lebens- und Achtsamkeitspraxis der TeilnehmerInnen aufgehen kann. Der Lernprozess ist notwendigerweise unvollständig und nonlinear, und die Gestaltung der Lehrveranstaltung basiert auf einem Vertrauen in die Emergenz relevanter Themen und Einsichten.

Stand: Januar 2018